Montag, 7. April 2008
Kleine Umgangskontrolle
Mir ist seit längerem aufgefallen, dass viele Menschen ein sehr enges und inniges Verhältnis vor allem zu Dingen haben, durch die kein Blut fließt. Die keine Tränen vergießen. Denen es nicht heiß und kalt den Rücken herunter läuft. Die keine Gänsehaut bekommen. Die keine Schmetterlinge im Bauch haben. Die einen nicht umarmen können. Die nicht mit einem lachen können. Die einem nicht ihre Aufmerksamkeit schenken. Die einem nicht zuhören. Die einem nicht in die Augen sehen.
Ich finde, man sollte seinen Umgang mit diesen Dingen kontrollieren, was das für ein Verhältnis ist. Warum man eine Beziehung zu diesen Dingen aufbaut, die eigentlich Lebewesen vorbehalten sein sollte. Da werden Formulierungen ins Feld geführt, die jeden Menschen sicher berühren würden. Aber diese Dinge sicher nicht.
Da sind Gefühlsausbrüche- und -wandlungen an der Tagesordnung, die man zwischenmenschlich an allen Ecken und Enden vermissen läßt. Diese Dinge haben keine Gefühle und keine Nerven. Sie empfinden keinen Schmerz und keine Lust. Aber der Umgang mit diesen hinterlässt den Eindruck, als ob es so wäre. Nein, mehr als das, dass es so ist.
Da wird Zärtlichkeit ausgetauscht. Da wird Verständnis aufgebracht. Da liegt die Toleranzgrenze wesentlich niedriger. Da wird schnell alles entschuldigt. Und man ist so unendlich dankbar, wenn es funktioniert. Alles Aspekte, die zwischen Menschen wesentlich mehr Sinn ergeben würden als zwischen Dingen.
Ein paar Dinge fallen mir da sehr unangenehm auf. Da ist das Konto. Wie oft denkt man an das Konto? Wie es ihm wohl geht? Hoffentlich geht es dem Konto gut. Oder geht es ihm nicht gut? Steht da ein [S] wo eigentlich ein [H] stehen sollte? Was denkt die Bank über das Konto? Dann wäre da noch das Auto. Die Beziehung der Menschen zum Auto oder sagen wir mal zu einer Leasingrate, denn es gehört ja nur noch den wenigsten selbst. Diese Beziehung ist eine besondere. Sie ist weit intensiver als das, was Menschen anderen Menschen gegenüber in der Lage sind einzubringen. Und dann sind da noch die vielen Marken. Die, wenn das Logo nicht da wäre, das eigentliche Produkt sofort in der Versenkung verschwinden lassen würden. Nur das Logo und die Beziehung der Menschen zu diesem definiert die innige Beziehung.
Computer, Handy und so weiter. Da wird gepflegt. Updates. Upgrades. Da weiß man zu jeder Tages- und Nachtzeit, wie es ihnen geht. Bei Menschen müssen wir uns erst vergewissern. Wir haben Beziehungen oder bauen die auf zu Dingen, die uns in den wichtigen Aspekten unserer Lebenskultur nichts zurückgeben können. Die wichtige Reflektion von anderen Menschen oder über andere Menschen wird weniger oder bleibt aus.
Die Themen dieser Zusammenkünfte kreisen ohnehin dann auch noch um die Dinge. Und es gibt nicht nur genügend, es gibt viel zu viel. Und es werden immer mehr. Wie viele Pfeffermühlen gibt es wohl? 10.000? Wie viele Handys? 30.000? Wie viele verschiedene weiße Hemden kann man kaufen? Wie viele schwarze Socken? Wie viele Autos fährt man im Laufe eines Lebens? Und wie viele Freunde begleiten einen durch dasselbe?
Ich glaube, die Marktwirtschaft ist außer Kontrolle geraten. Sie eskaliert. Ich glaube nicht, dass sie explodiert, sondern sie wird implodieren. Explodiert ist die Diversifikation von allem. Implodieren wird die Markwirtschaft, denn weniger war eben schon immer mehr. Der Betrug an den eigenen Gefühlen, verbunden mit dem Verlust an Glaubwürdigkeit, wird die Markwirtschaft nachhaltig verändern. Da ich ein Optimist bin, glaube ich zum Besseren. Was schon mal die richtige Richtung zum Guten wäre.
Die Frage, was braucht man wirklich, wird beantwortet durch ein sich änderndes Konsumverhalten. Somit werden die Märkte diesem Trend folgen müssen. Das stetige Wachstumsprinzip der geltenden Marktwirtschaft war eine Utopie. Es gibt eben doch kein ewiges Wachstum. Somit wird das Wachstumsprinzip dem Wandlungsprinzip weichen. Das heißt Wohlstand, Sicherheit, Freiheit, Bildung, Gesundheit und alles andere, das nicht auf dem Sand des ewigen Wachstums gebaut ist, sondern auf der Fähigkeit und Bereitschaft, Wandlungen erkennen, einleiten und umsetzen zu können.
Geschrieben von Christof Hintze
in Human Marketing
um
08:53
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