Mittwoch, 28. November 2007
No Name
Im Laufe der Jahre haben sich mehrere hundert Visitenkarten angesammelt. Diese verteilen sich vereinzelt und in Haufen auf viele Orte, Schubladen und andere mehr oder minder gepflegte Ordnungssysteme.
Manchmal mache ich mir den Spaß und fliege so über und durch alte Visitenkarten und versuche mich zu erinnern, wer sich hinter welcher Karte verbirgt. Wie derjenige damals aussah, was er heute ist und so weiter. Bei ca. 80% fällt mir nichts mehr ein, kein Gesicht, nichts. Auch die Firmennamen sagen mir nichts mehr. Dann grüble ich eine Zeit lang nach, wer das wohl gewesen sein könnte.
Heute in der Zeit des Internets könnte ich mich auch auf ganz andere Weise auf die Suche machen. Aber ich denke mir, wenn mir schon so nichts dazu einfällt, dann wird das seinen Grund haben. Somit mache ich mich mehr an den Karten zu schaffen, mit denen ich vor allem eine positive Assoziation verbinde. Der gehe ich dann in Gedanken und hin und wieder auch mal im Internet nach. Aber dies sind wenige, nur ca. 5% aller Möglichen. Dann gibt es da noch einige, bei denen mir noch heute der Schauer den Rücken herunter läuft.
Auch hier denke ich dann vereinzelt darüber nach, wie schlecht es dem wohl heute ergehen würde. Bei dem Mist, den der damals schon verzapft hat. Aber dann schrecke ich doch zurück, weil ich nicht plötzlich dem Gegenteil meiner miesen Erwartungshaltung begegnen will.
Und ganz wenige, wirklich ganz wenige, motivieren mich doch mal, den Kontakt wieder herzustellen. Aber die kann man an einer Hand abzählen. Somit sind weit über 80% aller Visitenkarten, die mich je erreicht haben, für die Katz gewesen. Mit reiflicher Überlegung hätte ich einem Großteil schon damals anvertrauen können: „Die können sie mal locker stecken lassen, die brauche ich wirklich nicht.“ Aber das macht man nicht. Das verbietet der Anstand.
Was schade ist, dass sich die analogen Visitenkarten für Leute wie mich nicht weiter entwickelt haben. So dass auf einer Visitenkarte der Ort, der Anlass, das Datum steht, an dem diese überreicht wurde. Am besten noch mit Bild. Das würde die Quote sicherlich leicht anheben, eventuell auch stärker.
Denn man kann sich im Laufe eines Leben unmöglich diese vielen Menschen wirklich merken. Was wirklich schade sein könnte. Somit verlasse ich mich auf den Zufall, die Intuition und darauf, dass andere ein besseres Gedächtnis haben. Und mich hoffentlich in guter Erinnerung.
Aber sicherlich sitzen die ebenso erinnerungslos vor meinen Karten. Es ist schon wichtig, eine Story bei jemandem hinterlassen zu haben. Eine Geschichte, die sich sofort mit einem selbst verbindet. Die eine Brücke baut zu mir. Eine Brücke, die sich nicht auf Daten und Fakten bezieht, sondern eine emotionale Kettenreaktion auslöst, die dann zu meiner Person führt. Auch noch nach Jahren.
Diese Storys müssen am besten aus dem Leben sein, stark mit meiner Person verbunden sein. Das Involvement, welches diese Story darstellt, muss an den relevanten Kundennutzen gekoppelt sein. Man gibt jemandem seine Karte, weil man will oder derjenige was wollte. Ist da keine gute Story, dann ist da schnell nichts mehr.
Somit sollte man jedem, dem man seine Karte in die Hand drückt, vorher eine richtig gute Story reingedrückt haben. Wenn man merkt, dass die gesessen hat, dann kann man auch seine Karte übergeben. Sonst kann man sie stecken lassen und sich sparen. Glaube ich. Denke ich. Nein, weiß ich.
Geschrieben von Christof Hintze
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08:11
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