Donnerstag, 8. November 2007
Ausweichtaktik
Leider hat sich in vielen, fast allen Bereichen unserer Gesellschaft die so genannte Ausweichtaktik breit gemacht. Ein Beispiel dazu: Eine Person hat Zahnschmerzen auf der linken oberen Seite. So dass es ihr Schmerz bereitet, wenn sie auf dieser Seite versucht, etwas zu essen. Was macht diese Person? Sie isst auf der rechten schmerzlosen Seite weiter.
Somit wäre eigentlich anzunehmen, dass jemand mit Zahnschmerzen denselben beseitigen lassen würde, um weiter ordentlich zubeißen zu können. Aber so verhält sich die Gesellschaft nicht. Man weicht dem Problem einfach aus. Soll sich ein anderer darum kümmern. Zu einer anderen Zeit.
Hätte man aber das eigentliche Problem beseitigt, würden nicht die viel größeren Folgeprobleme daraus entstehen. Aber das muss man eben nur geschickt vertuschen. Somit gesellt sich zur schädlichen Ausweichtaktik das Vertuschungsverhalten hinzu. Man tut so, als ob man keine Zahnschmerzen hat und fällt bei dann auftretenden größeren Problemen wie aus allen Wolken.
Warum diese Taktik? Weil die Zeitspannen immer kürzer werden. Man hat erst keine Zeit, zum Zahnarzt zu gehen. Dann denkt man, das wird schon nicht so schlimm sein. Und wenn der Schmerz weg ist, dann kommt keiner auf die Idee, dass nicht nur der Schmerz weg ist, sondern mit hoher Wahrscheinlichkeit auch der Zahn von uns gegangen ist.
Was dazu führt, dass um den toten Zahn ein neues, wesentlich größeres Problem entsteht. Aber in unserer Gesellschaft sind die Zeitspannen sehr kurz, im Business reden wir von Quartalsbilanzen. Somit ist die provisorische Lösung heute zum Standard gewonnen, weil man die letztendlichen Auswirkungen selbst ohnehin nicht mehr mitbekommt.
Politiker haben die Wahlen im Nacken und so weiter. Geht man also mit dem Anspruch an die Arbeit, in dieser Gesellschaft den ursprünglichen Zahnschmerz – das eigentliche Problem – zu beseitigen, dann trifft man auf taube Ohren. Wenn man aber Lösungen schafft, die nichts kosten, vor allem kein Geld, die da lauten – ja wenn es links weh tut, dann essen sie doch rechts – dann ist der Erfolg unvermeidlich.
In dieser Gesellschaft werden oft keine Probleme gelöst, sondern diese werden einfach auf andere Schultern abgeladen. Bis auch diese das Problem nicht mehr tragen können. Dann findet sich schon der Nächste.
Kurzfristig?! Ja. Aber so ist unsere Zeit. Was ich mich frage ist: Wie kommen all die Menschen mit dieser Welt voller schlechter provisorischer Lösungen klar, die es eigentlich besser wissen? Wie kann man damit leben, wissentlich falsch zu denken und zu handeln? Heilt Geld wirklich diesen Schmerz?
Man müsste die Wirkungszeiträume verlängern. Unternehmensbilanzen nur noch alle drei Jahre erstellen. Gewählte Vertreter müssten rückwirkend wie Architekten und Statiker in die Verantwortung genommen werden können – Manager übrigens auch – wenn eine Konstruktion sich als provisorisch und schädlich herausstellt, obwohl eine bessere Lösung dagewesen wäre.
Diese Ausweichtaktik ist für unsere Gesellschaft sehr ungesund. Oder wie man im Pott sagt: Billig kann ich mir nicht leisten, das kommt mir nachher zu teuer. Das gilt nicht nur für billig, sondern auch für provisorisch.
Geschrieben von Christof Hintze
in Wilde Thesen
um
07:57
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schoener satz. kenn ich aus meiner kindheit. hat mein onkel immer gesagt.