Dienstag, 27. März 2007
Geradeaus
Übermut kommt bekanntlich vor dem Fall. Ein schönes Beispiel ist das Billardspielen. Hier ist es Gang und Gäbe, dass sich nur geübte Spieler am Tisch aufhalten. Oder hat jemand schon mal einen Anfänger gesehen? Wie zu vielen anderen Themen des Lebens, fehlt auch hier der nötige Respekt vor dem Können, das etwas anderes ist als Kennen. Zwischen diesen beiden Wörtern tut sich ein großer Graben auf. Beim Billardspielen weiß der wirklich geübte Spieler, dass man nur das spielen kann, was man sieht. Was man nicht sieht oder sich nicht vorstellen kann, das kann man auch nicht spielen. Dann beherrscht der geübte Spieler vor allem den geraden Stoß. Denn dieser ist zu kontrollieren und man weiß, was wohl passieren wird. Die wenigsten beherrschen diesen so wichtigen geraden Stoß. Aber versuchen sich ständig an Kunststößen. Haben alle wohl Paul Newman (Haie der Großstadt), oder die Jüngeren unter uns Tom Cruise (Die Frabe des Geldes) beim spielen auf der Leinwand zugesehen. Damit es wenigstens so aussieht, als ob. Dabei entlarvt gerade das den Stümper. Somit kann man vom Billardspielen viel lernen. Es ist vor allem ein Spiel, das Spaß machen soll. Dann ist es ein besonderer Genuss, wenn die Kugeln genau das machen, was man sich erhofft. Und letztendlich soll der Bessere gewinnen. Denn sein Können soll dem Kennen überlegen sein. Das ist der Sinn von Geschicklichkeitsspielen. Der Glückliche kann mal ein Spiel gewinnen, aber nie mehrere, geschweige denn viele. Somit lehrt einen Billard eine Art von Demut. Man muss es spielen und spielen und spielen, um es nur ein Stück weit zu beherrschen. Man muss die Mathematik des Spiels akzeptieren lernen. Man muss sich die Kunststückchen für die Galerie aufheben. Man muss Demut und Respekt mitbringen. Man muss vor jedem Stoß die Spitze einkreiden. Und man darf nur den Stoß wagen, den man sieht. Das lehrt einen die Erfahrung und – daraus so wichtig abgeleitet – die Erkenntnis. Theoretisch kann man auch dieses Spiel kennen, aber können kann man es nur praktisch.
foto: peter von felbert