Freitag, 16. Februar 2007
Über die Kunst, das Gleiche immer wieder anders zu machen
Es liegt in der Natur des Menschen, es sich so leicht zu machen, wie es nur geht. Und es liegt in der Natur der selben Sache, dass ihm das fast gänzlich misslingt. Dieser Kreislauf von verzweifelten, kläglichen und peinlichen Versuchen der Vereinfachung und daraus immer resultierenden Verkomplizierung nennt man Volkswirtschaft. Das System der freien Marktwirtschaft beruht weitesgehend auf Irrtümern und diese zu beseitigen, was aber noch weit aus größere Irrtümer hervorruft und so weiter. Einigen Wenigen gelingt dieses der allerschwierigsten Unterfangen. Einigen ganz wenigen. Nicht, in dem sie tolle neue Dinge erfinden, die im Rucksack schon die neuen Probleme mit sich bringen. Nein, diese Menschen können weglassen. Sie lassen alles einfach weg, was so tut, als ob es das Leben vereinfacht. Beeindruckendes, zeitloses und unwiderstehliches Design macht es genau so. Man lässt alles weg, was man nicht braucht. Und vor einem steht die reine Lösung. Diese Entwicklung steht noch ganz am Anfang. Aber sie wird sich durchsetzen und fortsetzen. Menschen mit viel Geld stopfen nicht unentwegt Konsumgüter in sich rein. Sondern sie fangen an, diese aus ihrer Welt zu verbannen. Und am Ende bleibt Raum und Zeit für alles Wesentliche. Die große Kunst des Reduzierens auf das Wesentliche ist nicht neu. Aber es war selten von freiem Willen bestimmt. Für die einen ist es in unserer Zeit die kunstvolle Art, stilvoll zu verarmen. Das gilt nicht. Diese Menschen lassen nur weg, weil sie nicht können. Religionen und Sekten fordern Entsagung. Das gilt auch nicht. Erst wenn man das Geld hätte, sich aber gegen eine offensichtliche Verkomplizierung entscheidet, auch wenn man wissentlich den Nimbus des Status dabei übergeht und verletzt, erst dann ist es im Sinne der reinen Lehre. Denn das perfekte Leben besteht aus sehr wenig wesentlichen Handlungen, die es gilt, immer wieder anders zu machen, um deren Kultur zu begegnen. Alles andere benötigen wir nicht und lenkt vom perfekten Leben ab. Ganz im Gegenteil, es nimmt uns die Freiheit und Sicherheit, die wir benötigen, um uns gut zu fühlen. Der Konsum befriedigt letztendlich nie das Bedürfnis, sondern heizt es nur an. Dasselbe gilt auch für Unternehmen. Das, was bleibt an relevantem Kundennutzen, muss man immer wieder anderes gestalten. Aber es muss sich immer ausschließlich auf den relevanten Kundenutzen beziehen. Es gibt sehr schöne Vorbilder dafür in unserer Welt, denen aber so gut wie niemand folgt. Warum? Ganz einfach. Zum einen kann das nicht jeder und zum anderen sind die meisten zu sehr damit beschäftigt, komplizierte Aspekte durch die Annahme von neuen Vereinfachungen zusätzlich zu verkomplizieren. Und noch eines kommt erschwerend hinzu: Die Menschen glauben, dass wenn sie etwas weglassen, nicht haben oder bereitwillig darauf verzichten, ihnen bestimmt was fehlen oder entgehen wird. So wirkungsvoll funktioniert die Konsumsucht noch immer. Aber es ändert sich. Wollen wir wetten? Die Zeit kommt und zwar bald, da werden Menschen von sich reden machen, die ihr Glück und ihre große Zufriedenheit genau mit dieser Entwicklung beschreiben werden. Die Vorboten sind die vielen Stiftungen, die ins Leben gerufen werden. Da fließt Kapital zurück in die Gesellschaft, auf dem man noch vor ein paar Jahren gehockt hat, oder mit Hilfe dessen man ein Luxusgut an das andere gereiht hat. Die Garagen der wirklich Wohlhabenden werden leer sein. Sie werden keine Handys haben. Und keinen Fernseher. Sie werden alles verbannen und auf das Wesentliche reduzieren, um sich dem eigentlichen Ziel zu nähern - leben. Nicht verwalten, beschäftigen, kümmern, ärgern...
(Foto: Peter von Felbert; Motiv: Teile der blauen Sammlung von Christof Hintze in der note Werbeagentur)