Montag, 22. Januar 2007
Ausdenken lassen
Wenn alles um uns schneller wird, dann auch das Denken. Somit türmt sich vor uns ein neues weiteres Hindernis auf. Wo es früher nur eine schreckliche Angewohnheit war, Menschen nicht ausreden zu lassen, schaffen wir es heute nicht mal mehr, andere ausdenken zu lassen. Wir fallen nicht mehr nur ins Wort, oder ergänzen die unausgesprochenen Sätze anderer. Nein, dasselbe machen wir auch mit Gedanken. Kein Zeit. Das muss alles schneller gehen. So haben Schnelldenker und Schnellredner einen großen Vorteil gegenüber allen anderen. Was aber in der Sache bei weitem kein Vorteil sein muss. Schnell ist nämlich keine Qualität. Sondern der richtige Gedanke braucht genau so lange, wie er benötigt, um richtig gedacht und formuliert zu werden. Mir fällt das in Meetings sehr oft auf. Dass ich bemerke, dass jemand einen nützlichen Gedanken denkt. Das kann ich erkennen. Im Gesichtsausdruck. Aber weil die nötige Geschwindigkeit fehlt und man der Auseinandersetzung ausweichen will, bleibt der Gedanke im Kasten. Das ist schlecht. Eine weitere schlechte Angewohnheit, die sich breit und breiter macht. Deshalb kann ich nur anregen: Lasst Menschen ausreden und ausdenken. Habt ein wenig Geduld. Manchmal ist man von einer genialen Lösung nur einen Geduldsmoment entfernt. Das ist nicht viel. Und es ist es wert, ihn einzuräumen. Die Zeit muss sein.
(Foto: Thomas Hintze, Motiv: Émile Zoal, Ort: Israel)
Manchmal beschleunigt es das Verfahren, aber es frustriert den anderen, sodass er sich später vielleicht nicht mehr zu Wort meldet und vor allem, nicht selten, wollte dieser etwas ganz anderes ausdrücken, als ich dachte oder dann auch formulierte.
Geduld ist eine tolle Sache, ich will mich darum bemühen.
Bei Blogs wird meist nur auf die Kommentare zu den aktuellen Themen geachtet, während verspätete Meldungen zu älteren Beiträgen vielleicht gerade deshalb hinzugefügt wurden, weil der Antwortende sie besonders tiefgründig bereichern konnte.
Für Ideensammlungen gibt es auch schriftliche Methoden die genau die immer unauffälligen Ideenpotentialträger mit einbeziehen, so z.B. die Collective-Notebook-Methode oder die Methode-635 .
Um auf ähnlichem Wege zu-Ende-gedachte Antworten zu erhalten könnte man zum Abschluss von Arbeitstagen oder mehrphasigen Beratungen eine abschließende Frage ankündigen , zu der man bis zum Sonntag Vorschläge per Mail wünscht.